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Radrennen im Wohnzimmer – Triathleten trotzen Corona

Was tun, wenn eine Woche vor dem eigentlichen Start der Ligasaison noch nicht klar ist, ob es überhaupt eine Ligasaison geben wird? Die ersten Wettkämpfe sind bereits abgesagt, über das Stattfinden der Liga und somit der Titelkämpfe um die Mannschaftsmeisterschaften im Triathlon wird aktuell noch von den Ligaorganisatoren beraten. Not macht bekanntlich erfinderisch und so wurde eine ganz neue virtuelle Rad-Rennserie ins Leben gerufen. Auch wenn hier am Ende keine offiziellen Meister gekürt werden, bietet das Format eine tolle Abwechslung im Trainingsalltag. Die Frauen des Bundesligateams und die Männer des Regionalligateams vom TSV Bargteheide Triathlon zeigen bei acht Online-Rennen, was in ihren Beinen steckt. „Leider müssen wir in diesem Jahr unseren Wettkampf absagen.“ „Die Veranstaltung kann in diesem Jahr leider nicht stattfinden.“ - Diese Informationen erreichen uns in den letzten Wochen von verschiedenen Triathlon-Veranstaltungen. Egal, ob riesiges Event oder kleiner „Dorftriathlon“, an Durchführungen ist in den ersten Monaten der Saison momentan nicht zu denken. Auch die Triathlonabteilung des TSV Bargteheide weiß noch nicht, was mit der eigenen Veranstaltung, dem 25. Bargteheider Schülertriathlon, in diesem Jahr passiert. Aufgrund der Sanierung des Sportplatzes wurde der Termin in diesem Jahr zwar schon auf den 30. August verlegt, ob dieser Termin aufgrund der aktuellen Situation zu halten ist, ist jedoch unklar. Was nun? Den ganzen Winter und Frühling sind etliche Stunden im Schwimmbad, auf dem Fahrrad und in den Laufschuhen verbracht worden und eigentlich wollen alle im Wettkampf zeigen, was sie draufhaben. Da an Wettkämpfe im echten Leben, Schulter an Schulter an der Startlinie, nicht zu denken ist, hat das TriTeam Hamburg für Teams der 2. Bundesliga Nord und Regionalliga Nord eine neue, virtuelle Rad-Rennserie auf die Beine gestellt. Die Idee: über die Online-Plattform Zwift fahren die Athletinnen und Athleten 8 Wochen lang jeden Sonntagvormittag ein Radrennen. Zwift ist eine Online-Plattform, in der virtuell auf den Straßen von London, Innsbruck, New York, Richmond und auch der fiktiven Insel Watopia in Echtzeit mit und gegen andere Sportlerinnen und Sportler gefahren und neuerdings auch gelaufen werden kann. Für die neue Rennserie benötigen die Männer und Frauen neben einem Zwift-Account, ihre Rennräder und eine Rolle, in die das Rad eingespannt wird, sowie eine integrierte Wattmessung über die Rolle oder ein Powermeter am Rad. In kürzester Zeit haben sich 25 Herren- und 8 Damenteams für das neue Format mit dem Namen „Zwift Tri Series“ angemeldet. Jeden Sonntag dürfen beliebig viele Athleten eines Teams bei dem Rennen antreten, für die Teamwertung zählen am Ende dann die besten drei Athleten bzw. Athletinnen des Teams. Die Vernetzung der Teams funktioniert vor allem über die sozialen Medien Instagram und Facebook. So werden dort am Freitagabend Streckenprofil und -länge des Rennens bekanntgegeben. Damit alle Fans auch bei den aktuellen Abstandsregelungen auf ihre Kosten kommen, haben die Mitorganisatoren vom Ligateam TriZack Rostock sogar jede Woche einen Livestream auf Facebook aktiv, der von Alexander Siegmund live kommentiert wird. Am vergangenen Sonntag ging es dann auch schon direkt mit dem ersten Rennen der Serie los. Auf dem Plan stand ein flacher Kurs durch Watopia, 4 Runden mit insgesamt 41,5km und 245Hm. Um 10:05 Uhr erfolgte der Start des für die meisten der Bargteheider ersten virtuellen Radrennens ihrer Athletenkarriere. Vollgas – von Anfang an! Dass es hart werden würde, war allen bewusst, aber wie hart war dann doch krass. Über die Sprachchatplattform Discord waren die beiden Bargteheider Teams auch verbal vernetzt und konnten sich, sofern der Puls es zuließ, Tipps geben, Positionen durchgeben oder einfach nur fragen, ob die anderen gerade wenigstens genauso leiden wie man selbst. Auch wenn die Strecke als flach betitelt ist, gab es zwischendurch leichte Anstiege, die auch schnell mal dazu führen können, dass man eine Gruppe verliert. „Eigentlich bin ich ganz gut gestartet und dann habe ich relativ früh schon einen Anstieg verpennt. In dem Spiel wird Leistung in Watt/kg umgerechnet und wie im echten Leben hat das Körpergewicht einen Einfluss auf das Bergauf-, beziehungsweise -abfahren. Deshalb war sofort eine Lücke da, die ich nicht direkt schließen konnte und dann bin ich erstmal allein gefahren.“, berichtet Lena Schott, Teammanagerin der Damen. Im Spiel hat es, wie beim normalen Radfahren einen enormen Vorteil in einer Gruppe zu fahren und den Windschatten zu nutzen. „In diesen Genuss bin ich dann den Rest des Rennens kaum gekommen.“, so Lena. Außer Lena waren noch 7 weitere Athletinnen für das Damenteam unterwegs. Allen voran Leonie Wilke, die sich nur einer einzigen Athletin vom Team der Organisatoren geschlagen geben musste, landete auf einem grandiosen zweiten Platz. Ebenfalls den Sprung in die Top10 schaffte Rike Kubillus auf Platz 9. Die Wertung wurde durch Stina Mick komplettiert, die im Zielsprint das Vorderrad vor Teamkollegin Jule Hey hatte. Direkt danach kam Katharina Wien ins Ziel, die drei belegen somit Platz 16-18. Ebenfalls gemeinsam beendeten Victoria Vestergaard Hansen und Hjørdis Mick auf den Plätzen 20 und 21. Mit einigem Abstand kam dann auch Lena als 27. ins Ziel. „Die Mädels haben durchweg alle eine richtig geile Leistung abgeliefert.“, resümiert Lena nach dem Rennen. „Besonders freue ich mich über Jules Leistung. Ich habe in den letzten Wochen die ein oder andere Radausfahrt zu zweit mit ihr gemacht und kenne sie ohnehin schon seit Jahren im Training, Wettkampf und auch privat sehr gut. Bisher konnte sie auf dem Rad noch nie die Leistung abrufen, die sie nun am Wochenende rausgehauen hat.“

Neben den Frauen war auch ein Männerteam des TSV Bargteheide Tri unterwegs. In einem unglaublich starken Feld zeigte Jan Stelzner mit Platz 56 eine super Leistung und zwar ohne die anderen Athleten zu sehen. Bei ungefähr der Hälfte des Rennens erschien ein Pop-up-Fenster mit dem Hinweis, dass nur noch 20 Testkilometer verfügbar sind. So fuhr er den Rest und vor allem den Zielsprint „blind“ mit einigen helfenden Kommentaren seiner Teamkollegen. „Ich hatte wirklich an jedes Detail gedacht. So sehr, dass ich das Offensichtlichste dann vergessen habe.“, so Jan nach dem Rennen. „Im Endeffekt hätte ich das Fenster nur schließen müssen, hatte allerdings Angst damit aus dem Rennen geworfen zu werden.“ Als zweiter Bargteheider erreichte Jonas Schott auf Platz 87 schweißtriefend das Ziel. Definitiv nicht verstecken müssen sich auch unsere Youngster Lasse Fitschen, der mit Platz 116 die Teamwertung vervollständigte, und Noah Garbers auf Rang 141. In der Gesamtwertung der Teams stehen die Frauen nach dem ersten Rennen nun auf Platz 2 hinter den Frauen aus Hamburg. Die Männer belegen einen soliden 21. Platz. Wo genau und wie weit wir von unseren Terrassen und Wohnzimmern aus am kommenden Sonntag fahren, wissen wir selbst noch nicht. Sicher ist aber, dass wir irgendwann gegen 10 Uhr schwitzend auf unseren Rädern sitzen und alles geben werden, um so viel Watt wie möglich zu treten, damit wir diesmal vielleicht noch den ein oder anderen Athleten bzw. Athletin mehr hinter uns lassen können.


- Lena Schott


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